Handelsexperte: „Ich fürchte erst mal eine Eskalation”

Noch zwei Monate bleiben, um angedrohte US-Zölle auf europäische Waren zu verhindern. Doch die Chancen stehen schlecht, meint der Europaabgeordnete Bernd Lange (SPD). „Ich fürchte, dass wir im Juli erst mal eine Eskalation haben werden“, sagte der Handelsexperte bei einem Auftritt in Hannover. Erst danach könnten wohl Verhandlungen beginnen.
Donald Trump bemüht sich aktuell um Erfolgsmeldungen von der Handelsfront. Am Donnerstag präsentierte der US-Präsident eine Vereinbarung mit Großbritannien, die Zölle bremsen und Handelshemmnisse abbauen soll.
Am Freitag berichtete die neue Bundesregierung nach einem Telefonat von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) mit Trump, beide wollten „die Handelsstreitigkeiten rasch beilegen“. Am Wochenende schließlich wird sich US-Finanzminister Scott Bessent in der Schweiz mit dem chinesischen Vizepremier He Lifeng treffen, um den Konflikt einzudämmen.
Doch diese Signale machen Lange, der seit Jahren den Handelsausschuss des Europaparlaments leitet, nicht optimistischer. „Ich bin skeptisch“, sagte er im Industrie-Club Hannover. Auf Verhandlungsangebote sei Washington bisher nicht eingegangen.
So habe die EU-Kommission bereits die beiderseitige Senkung der Industriezölle auf Null angeboten. Auch über eine gegenseitige Anerkennung technischer Standards könne man reden. Das von Trump beklagte Handelsdefizit relativiert Lange: Rechne man den US-Überschuss bei Dienstleistungen dagegen, blieben nur noch 50 Milliarden Dollar Defizit - und auch dafür könne man Ausgleich suchen.
Doch in einem Punkt liegen Welten zwischen beiden Seiten: Washington lehnt viele EU-Regeln als „nichttarifäre Handelshemmnisse“ ab, zum Beispiel den Digital Markets Act für große Internetplattformen, den amerikanische Tech-Konzerne schon lange kritisieren. „Darum geht es meiner Ansicht nach wirklich“, sagt Lange, „und das werden wir nicht verhandeln“. Diese Regeln würden für alle gleichermaßen gelten und niemanden benachteiligen.
Bisher wird allerdings noch nicht einmal über die einfacheren Themen konkret verhandelt. Die Anfang April angekündigten „reziproken Zölle“ - 20 Prozent auf Einfuhren aus der EU - hat Trump für 90 Tage ausgesetzt. Doch ein Drittel dieser Frist ist schon verstrichen. Lange war im April ebenso in Washington wie EU-Handelskommissar Maros Sefcovic, und beide wollen sich auch im Mai noch einmal auf den Weg machen.
Doch ohne Trump persönlich geht erfahrungsgemäß nichts mehr in Washington, und der Präsident bevorzuge deutlich kleinere Verhandlungspartner, sagt Rachel Tausendfreund von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Eine weiteres Hindernis nach ihrer Einschätzung: Trump könne Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nicht leiden.
„Verhandeln, verteidigen, verbreiten“, ist nach Langes Worten die EU-Strategie. Während Verhandlungen auf sich warten lassen, droht Brüssel - Stichwort: „verteidigen” - mit Gegenmaßnahmen. Auf US-Waren im jährlichen Wert von rund 100 Milliarden Euro sollen Zölle verhängt werden, wenn die USA ihre Pläne nicht aufgeben. Unter „verbreiten“ versteht Brüssel die Stärkung anderer Handelsbeziehungen, zum Beispiel den Abschluss des Handelsabkommens Mercosur mit Südamerika.
rnd